Samstag, 10. Oktober 2015

Sonntag 06.11.16 - Teil 3

Endlich startete der Wagen. Ich trat das Gaspedal durch. Der Golf machte einen Satz nach vorn als freute er sich die Zombies abzuschütteln und jagte die Straße in Richtung Innenstadt hinunter. Blitzschnell überschlug ich unsere Möglichkeiten. 

Durch den Herrengarten zu fahren wäre sicherlich die kürzeste Strecke gewesen, doch es gab dort auch viele Hindernisse und auszusteigen, um ein Tor zu öffnen, war riskant. So steuerte ich kurz vor dem Tor zum Herrengarten nach links, brach durch den Schlagbaum der Universitäts-Tiefgarage und hielt mich rechts um zwischen dem Konferenzhotel der TU und dem Haus der Geschichte durchzufahren.

Unser Weg führte uns die Bleichstraße hinunter, am Schloss und am neuen Gerichtsgebäude vorbei. Zwischendurch blitzte es in grellem Rot, als wir einen der zahllosen innerstädtischen Blitzer auslösten. „Musst du immer so rasen“, nörgelte Paul vom Rücksitz. „Du wirst noch deinen Führerschein verlieren.“ Keine Ahnung woher er in dieser Situation seinen Humor nahm. Wir lachten etwas gezwungen, doch es half uns mit der Situation umzugehen.

Es war nicht mehr weit bis zum Hauptbahnhof. Die Straßen lagen verlassen und Verkehrsregeln scherten uns nicht. Trotzdem drossle ich das Tempo. Es gab keinen Grund ein unnötiges Risiko einzugehen.

Ich bog in südlicher Richtung in die Kasinostraße und am Kennedyplatz in westlicher Richtung auf die Rheinstraße. Sekunden später stieg ich in die Eisen. Untote Menschen, Zombies, so weit das Auge reichte.

 „Verdammt“, fluchte ich. 
„Das darf doch nicht wahr sein“, stöhnte Alex. Zu allem Überfluss schreckte das Quietschen der Reifen eine kleine Gruppe Zombies auf, die sich sofort auf uns zu bewegten. 
„Wir sind sehr beliebt!“  Ich rammte den Schalthebel in den Rückwärtsgang und holte alles aus dem Wagen heraus, was drin war. Auf der Höhe der Kreuzung riss ich das Steuer herum. Ich war gerade dabei den ersten Gang einzulegen als mein Gehirn etwas registrierte. Es war nur ein diffuser Schatten in den Augenwinkeln. Meine Unterbewusstsein meldete eine Gefahr, die ich jedoch nicht zuordnen konnte.  Es dauerte zu lange bis ich begriff.


Der Aufprall war mörderisch. Ein Berg von einem LKW schlug in unseren Golf ein. Er schleifte uns zehn Meter weit mit, bis er uns wie ein langweilig gewordenes Spielzeug beiseite fegte. Kurzzeitig wurde mir schwarz vor Augen. Mein Kopf dröhnte wie eine Glocke. Als ich wieder zu mir kam, sah ich, wie der LKW ungebremst in den Strom von Zombies eintauchte. Mit der trägen Masse von mindestens zwanzig Tonnen pflügte er unaufhaltsam durch sie hindurch. 
Trotz allem gelang es einigen Monstren sich am Fahrzeug festzuhalten und sich daran hochzuziehen. Langsam arbeiteten sie sich zum Führerhaus vor. Was genau geschah konnte ich aufgrund der wachsenden Entfernung nicht mehr erkennen, aber der LKW begann zu schwanken, schaukelt sich auf, zog schließlich nach links, sprang über die Gleise einer Straßenbahnlinie und bohrte sich schlussendlich in ein architektonisches Meisterstück aus den frühen Siebzigern.

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Sonntag 06.11.16 - Teil 2

Aus der Mauerstraße wankte eine seltsam gekrümmte Gestalt um die Ecke, keine zehn Meter von uns entfernt. Sie humpelte und zog das rechte Bein nach. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich den Grund, eine klaffende ekelerregende Wunde am vorderen Oberschenkel. Aus meiner Zeit als Zivildienstleistender beim Rettungsdienst wusste ich, dass solche Wunden – aufgrund des großen Blutverlustes – innerhalb einer Stunde zum Tod führen konnten. Die Gestalt schien sich daran nicht zu stören. Mit hängendem Kopf und geisterhaftem Grinsen schaute sie sich um.

Ich erstarrte, hielt den Atem an. Es handelte sich um einen älteren Mann, vielleicht Mitte fünfzig. Er trug einen fleckigen, zerrissenen Nadelstreifenanzug mit weißem Hemd und dezenter dunkelblauer Krawatte. Die ergrauten Haare hingen ihm wirr über die Stirn und verdecken sein rechtes Auge. Ehemals ein Bankangestellter, vielleicht ein Manager. Jetzt nur noch ein mordlustiger wandelnder Leichnam.

Unentschlossen ließ er seinen Blick nach allen Seiten schweifen. Sekunden vergingen wie Stunden. Dann sah ich hinter mir weitere Gestalten die Straße herunterkommen. Zuerst waren es zwei, dann fünf und schon bald zehn, die aus Richtung Kopernikusplatz kamen. Einerseits wurde mir klar, dass wir uns schnellstens in Sicherheit bringen mussten, andererseits war ich vor Panik völlig gelähmt. Meine Beine glichen tonnenschweren Gewichten. Verdrängte Erinnerungsfetzen an die Geschehnisse vom Frankfurter Hauptbahnhof blitzten in schneller Folge vor meinem inneren Auge auf.

Es blieb mir jedoch keine Zeit auf meine Erinnerungen und die damit verbundenen Gefühle einzugehen. Aus einem Nachbarhaus stürmte ein Mann zwischen mir und dem herannahenden Mob auf die Straße. In seiner Rechten hielt er eine Pistole. „Halt“, schrie er und zielte mit der Waffe auf mich. „Weg vom Wagen!" Er gestikulierte mit der Waffe. "Sofort aussteigen! Der Wagen gehört von jetzt an mir. Verschwindet.“

Die bisher gemächlich herannahende Zombiemeute hinter ihm, wurde von seinem Geschrei aufgeschreckt und angelockt. Sie beschleunigten ihre Bewegungen. Er war so aufgeregt, dass er den Tod nicht kommen sah. 

Sollte ich ihn warnen? Was würde dann passieren? Würde er mit unserem Wagen flüchten und uns zum Sterben zurücklassen? Hin und her gerissen war ich blockiert und verharrte in einer Schockstarre.

Als er sie endlich bemerkte war es schon zu spät. Sie waren schon zu nah, um noch flüchten zu können. Es gelang ihm noch zwei der Zombies niederzuschießen, doch drei andere überwältigten ihn und rissen ihn zu Boden. Er schlug noch um sich, hieb mit seiner Waffe in die verzerrte Fratze eines Zombies, entwand sich den Klauen eines Weiteren, hatte jedoch keine ernsthafte Chance mehr.

„STEIG ENDLICH EIN“, schrie Alex. 

Das wirkte. Mühsam kämpfte ich mich aus meiner Benommenheit und sprang in den Wagen. Keine Sekunde zu früh. Der einzelne Zombie vor uns verfolgte mich und schlug einen Wimpernschlag zu spät gegen die frisch geschlossene Tür. Adrenalin beschleunigte meine Bewegungen. Ich drehte den Zündschlüssel, doch der Wagen startete nicht.

 „Echt jetzt?“, schrie ich. Verzweifelt pumpte ich mit dem Gaspedal Benzin in den Motor. Der verdammte Golf hatte uns in den letzten zehn Jahren nicht einmal im Stich gelassen, warum ausgerechnet jetzt? Wie in diesen beknackten Horrorfilmen.
Der Zombie trommelte mit gnadenloser Härte gegen die Fensterscheibe. Ich betätigte die Zentralverriegelung und hoffte, dass es ihm nicht gelang, das Fenster zu zerstören. Alex schrie auf, auch auf ihrer Seite wüteten dieselben entstellten Gestalten. Der Wagen erbebte. Im Rückspiegel sah ich weitere Zombies herannahen. Schreckliche Fratzen mit leeren seelenlosen Blicken überall.

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Sonntag 06.11.16 - Teil 1

Das Telefon klingelte. Der Wecker zeigte 05.13 Uhr. Ich tastete nach dem Handy. Auf dem Display blinkte ein lachender Steffen beim Grillen. Ein Foto von der Feier zu seinem siebenundzwanzigsten Geburtstag. Es kam mir vor, als wären seitdem Jahrhunderte vergangen. 
Ich nehme den Anruf an. „Ja?“
Steffens Stimme klang hart. „Sie sind da!“
Ich merkte wie sich in meinem Hals ein Kloß von wahrhaft gigantischen Ausmaßen bildet. Ich konnte kaum atmen, begann am ganzen Körper zu zittern. Obwohl ich eigentlich noch gar nicht richtig wach war, schien mein Unterbewusstsein die tiefere Bedeutung seiner Worte zu erkennen.
 „Sie sind schon nahe der Stadtmitte. Es dauert nicht mehr lange und sie fallen über uns her. Wir werden sie so lange wie möglich zurückhalten.“ Die ruhige Sachlichkeit, mit der er sprach, erschreckte mich.
„Pass auf dich auf“, setzte ich an, doch er unterbrach mich. 
„Sieh zu, dass du die Stadt verlässt. Denk an den Hauptbahnhof.“ Hinter seiner Stimme gellten Schreie. 
„Sie kommen.“ Schüsse fielen. Das Geschrei wurde lauter, chaotischer. 
„Bleibt hinter den Barrikaden“, hörte ich eine tiefe Stimme rufen. „Wir werden nicht weichen! Feuer frei!“ Dann war die Verbindung weg.
„War das Steffen“, fragte Alex verschlafen und schmiegte sich an mich. Sie zitterte, hatte Angst, genau wie ich.
„Ja“, flüsterte ich.
So schnell es uns möglich ist weckte ich Paul, packten unsere Sachen und stürmten die Treppe hinunter. Während Paul und Alex die letzten Sachen im Auto verstauten, klingele ich in jeder Wohnung und gab die schlimme Nachricht weiter. Kaum jemand reagierte darauf. Schockstarre. Sie hofften in ihrer Wohnung sicher zu sein.

Ich wollte gerade einsteigen, als mir ein leises, schiefes Heulen das Blut in den Adern gefrieren lies.

Samstag, 19. September 2015

Samstag 05.11.16

Paul und ich hatten gestern noch lange geredet. Wir entschlossen uns, Vorbereitungen für eine eventuell notwendige Flucht zu treffen. Pläne wurden geschmiedet und wieder verworfen. Keiner von uns hatte jemals mit einer solchen oder ähnlichen Situation zu tun. 
Schließlich teilten wir uns auf. Paul kümmerte sich um unseren alten Golf und wartete ihn, während ich die Supermärkte nach sinnvollen Lebensmitteln und anderen Materialien durchstöberte. Das Alles erschien mir immer noch surreal. Wir leben im wahrscheinlich sichersten Land der Welt und trafen trotzdem Vorbereitungen für eine Flucht. In den letzten Jahren versuchten Millionen Menschen in unserem Land Zuflucht zu finden, nun waren wir die Flüchtlinge. Wer würde uns Schutz und Obdach bieten?
Während ich in der Innenstadt unterwegs war, fiel mir auf, dass andere ebensolche Vorbereitungen trafen. Hamsterkäufe, Kämpfe um die letzte Dose Thunfisch oder Wurst. Blindwütig schafften die Menschen überlebenswichtige Waren in ihre Autos. Auf dem Weg zurück sah ich lange Schlangen an den Tankstellen. Niemand sprach darüber, doch alle haben Angst. Eine unsichtbare Hand legte sich an unsere Kehlen und konnte sich jeden Moment schließen.

Mittags telefonierten wir mit Steffen. Wir brauchten endlose Versuche, da das Handynetz völlig überlastet war. Als wir ihn endlich erreichten, schaltete ich die Freisprechanlage an, damit auch Paul mithören konnte. Obwohl Steffen, wie jedem anderen Polizisten in Deutschland, Stillschweigen auferlegt wurde und man ihn dafür hätte feuern könnte, redet er mit uns über die drohende Gefahr. Seine Zusammenfassung der Dinge ließ mich schaudern.

„Das Operationszentrum Hessen hat Frankfurt bereits aufgegeben. Es wird keine Anstrengung mehr unternommen das Stadtgebiet zurück zu erobern. Einsatzkräfte der Bundeswehr und die verbliebenen Polizeikräfte versuchen die letzten Überlebenden des Angriffs zu evakuieren, aber diese Bestrebungen werden sehr bald eingestellt werden. Es würde einfach zu viele Opfer kosten, um auch die letzten Menschen zu retten.“
Es war also so schlimm, wie wir erwartet hatten.  „Was habt ihr also vor?“
„Wir werden versuchen das gesamte Stadtgebiet unter Quarantäne zu stellen.“
„Das hat doch noch nicht mal beim Hauptbahnhof geklappt“, bemerkte ich.
Sein Schweigen dazu sagte alles.
„Wann werden sie Darmstadt erreichen?“ Meine Frage lag auf der Hand, erschreckte mich aber selbst. War es wirklich schon soweit, dass man über eine Flucht nachdenken musste? Gab es keine Möglichkeit die wandelnden Toten aufzuhalten?
„Wir gehen davon aus, dass sie sich wie in den Filmen verhalten. Sie werden den Flüchtlingen folgen oder sich von Wohngebiet zu Wohngebiet vorarbeiten.“
„Ähnlich einer Spur von Brotkrumen“, vollendete ich.
„Ja! Wir gehen daher davon aus, dass sie sich sternförmig ausbreiten. Wir evakuieren bereits angrenzende Dörfer. Die Bundeswehr wird im Laufe des Tages Drohnen starten. Die Luftaufklärung wird uns zumindest die größeren Feindbewegungen zeigen.“ Im Hintergrund hörten wir Fahrzeuge und gerufene Befehle. Steffen beeilte sich: „Verlasst in den nächsten Tagen Darmstadt und die nähere Umgebung. Sollte irgendetwas schiefgehen, schlagt euch zum Hauptbahnhof durch. Dort wird gerade ein Evakuierungszentrum errichtet.“ Dann brach die Verbindung ab.
Gegen Abend klingelte es an der Wohnungstür. Alex! Kaum hatte ich die Wohnungstür geöffnet, fiel sie mir auch schon um den Hals. Sie weinte. Ich war so baff, dass mir die Worte fehlten. Ich zog sie sanft in unseren Flur und bugsierte sie vorsichtig ins Wohnzimmer. Paul nickte mir nur kurz zu und verschwand mit seinem Kaffee in der Küche. Für einen logisch strukturierten Menschen, pflegte er eine überraschend einfühlsame Seite.
Bei einem Tee beruhigte sie sich langsam. Ihre Eltern waren am 30.10. am Flughafen. Anscheinend wurden sie in die Kämpfe zwischen der Polizei und den Einreisenden hineingezogen. Die letzten Tage und Wochen verbrachte sie mit Identifizierung ihrer Leichen, der Beerdigung und allem anderen. Sie zitterte am ganzen Körper.
Wir redeten und redeten. „Du bist nicht allein“, sagte ich und fühlte, dass es keine Worthülse war.

Sie blieb über Nacht. Ich wollte ihre Situation nicht ausnutzen und schlief auf der Couch. Als ich mitten in der Nacht erwachte, stand sie vor meiner Couch. „Ich will nicht allein schlafen“, sagte sie. „Komm ins Bett.“ Wir lagen zusammen, gaben uns Halt, in einer aus den Fugen geratenen Welt.

Donnerstag, 17. September 2015

Freitag 04.11.16

Als ich heute Morgen erwachte, fühlte ich mich wie gerädert. Ich hatte schlecht geschlafen, gelinde ausgedrückt. Es dauerte ewig, bis ich überhaupt Schlaf fand. In meinem Hirn jagte ein Gedanke den anderen. Wie entkamen die Zombies aus der Quarantäne? Der Sicherheitsring der Bundeswehr hatte doch so perfekt gewirkt. Wie hatten sie so lange unentdeckt bleiben können? Sie waren plötzlich überall gewesen. Waren sie durch die U-Bahntunnel gekommen? So ging es hin und her, natürlich ohne Ergebnis. Alpträume ließen mich immer wieder auffahren. Immerhin schrie ich nicht die Bude zusammen, denke ich.

Die Protagonisten in Büchern und Filmen erwachten morgens immer tiefenentspannt und konnten zur Tat schreiten. Ich dagegen kämpfte mich mühsam aus dem Bett und schaltete den Kaffeeautomaten ein, der einzige wertvolle Gegenstand in unserer Wohnung. Ein Geschenk meiner Eltern, als das Arbeitspensum zur Abschlussprüfung hin zunahm. Einen Cappuccino später war ich hellwach.
In Frankfurt regieren die Untoten. Ein Gedanke, der sich immer und immer wieder in meinem Hirn wiederholte. Paul und ich hatten bis spät in die Nacht fern gesehen. Es wurde zwar verbissen gekämpft und an manchen Stellen geriet der Vormarsch der Zombies ins Stocken, doch es zeichnete sich ein Sieg der Untoten ab. Klare Frontlinien gab es nicht und jedes Opfer bildete den Nachschub für die Zombies. Die Journalisten verglichen die Szenen mit denen eines Bürgerkriegs. Wer Frankfurt verlassen konnte tat dies. Schnell waren die Autobahnen und Ausfallstraßen überfüllt gewesen. Wer sich in seiner Wohnung einschloss, würde früher oder später ein Opfer der wachsenden Untotenarmee werden.

Ich raffte mich auf und holte Brötchen, Croissants und Baguettes beim nahen Bäcker. Ein fast surrealer Vorgang, wenn man die aktuellen Geschehnisse bedachte. Doch der menschliche Körper benötigt Nahrung, auch in Krisenzeiten.
Als ich das Geschäft betrat, bediente der Chef selbst. Seine sonst so zuverlässige Fachverkäuferin Maria fehlte und die Schlange wurde länger und länger. Hatte sie mir nicht erzählt, sie wolle Freunde in Sachsenhausen besuchen? War sie dort gewesen, als die Zombies einfielen? War sie vielleicht mittlerweile (un-)tot?
Die Menschen in der Schlange waren unruhig, genervt und hatten etwas Gehetztes in ihren Blicken. Mehr als einmal gerieten die Wartenden wegen Nichtigkeiten aneinander. Im Gegensatz dazu wurde wenig gesprochen, doch diejenigen, die es taten, sprachen nur über ein Thema, Frankfurt. Als ich ging, hing eine unausgesprochene Frage in der Luft: Wann würde Darmstadt zum Ziel werden? Niemand glaubte an eine Eindämmung des Virus.

„Alex hat angerufen“, begrüßte mich Paul. 
Ich reichte ihm meine Ausbeute und wir richteten den Frühstückstisch her. „Was wollte sie“, fragte ich ehrlich überrascht. „Hat sie nicht gesagt, wollte aber zurück gerufen werden.“ Paul lächelte vielsagend. 
Ich teilte seine Anspielung nicht. Klar, dass letzte Date war gut gelaufen. Sehr gut sogar, aber danach hatte Alex den Kontakt von ihrer Seite gekappt. Der Grund war mir unklar. So überraschte mich ihr plötzlicher Anruf.


Nach dem Frühstück rief ich zurück. Ich erhielt jedoch keinen Kontakt.

Samstag, 18. Juli 2015

Donnerstag 03.11.16 - Teil 3

Beklommen verfolgten wir, wie der Kameramann auf den Opernplatz zuhielt. Vor ihm und zu beiden Seiten flohen Männer Frauen und Kinder. Eine junge Mutter zog ihre kleine Tochter hinter sich her, während ihr Mann ein Baby in den Armen hielt. Gemeinsam strebten alle zum Springbrunnen in der Mitte. 

Mir stockte der Atem, als uns plötzlich Flüchtlinge entgegen kamen. Der Kameramann stoppte überrascht. Ein Schwenk eröffnete uns das volle Ausmaß der Situation. Wir waren umzingelt. Von allen Seiten stürmten Menschen heran, gejagt von blutüberströmten Zombies, die gierig ihre Klauen streckten. "Oh Gott", hörten wir durch den schweren Atem. Offensichtlich unschlüssig was zu tun sei, folgte die Kamera auf seinen Schultern seinem hilfesuchenden Blick.

"Die Oper", presste Paul zwischen den Zähnen hervor. Die Anspannung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Beide fieberten wir mit dem Kameramann mit. "Verdammt, rette dich in die Oper", rief ich, wohl wissend, dass er mich nicht hören konnte. Doch offensichtlich hatte er die gleiche Idee. Mit schnellen Schritten hastete er zum Haupteingang.

Es wurde verdammt eng. Die Bilder verwischten vollends, als er die Treppenstufen hinauf sprang. In einer Entfernung von höchstens einem Meter entkam er den von beiden Seiten zuströmenden Monstren. Bevor er zwischen den sich schließenden, mächtigen Türflügeln aus massivem Eichenholz und schweren Eisenbeschlägen hindurchschlüpfte, sah er sich noch einmal um.

Es war eine Arena des Todes. Etwa hundert Menschen drängten sich verloren in der Mitte des Platzes, während die Zombies in Vorfreude auf ein Festmahl (falls sie überhaupt Freude empfinden konnten) den Kreis um ihre Opfer immer enger zogen.Einige wenige Menschen versuchten zu kämpfen oder wenigstens ihre Lieben zu schützen. Vergeblich!

Dann wendete sich die Kamera ab, da mehrere Zombies die Stufen zum Hauptportal erklommen und der Kamera zu nahe kamen. Schnell rettete er sich ins Innere der Oper. Krachend schlossen sich die Türen und der Sender schaltete zurück ins Studio. 

Den Moderatoren war jede Farbe aus ihren Gesichtern gewichen. Unter dem Eindruck der Bilder brachten sie kein Wort heraus. So traf es uns wie ein Schlag, als plötzlich ein Werbegewitter durch die herrschende Stille krachte.

Montag, 8. Juni 2015

Donnerstag 03.11.16 - Teil 2

Sie waren überall. Diese verfluchten Zombies kamen aus den Seitengassen, aus den U-Bahn-Tunnels, aus den Geschäften. Schreie gellten. Die Kamera zuckte mal hierhin und mal dahin. Von allen Seiten humpelten, trotteten und schlurften Zombies heran. Manche leidenschaftslos und innerlich leer, andere mit von Wut verzerrten Gesichtszügen. Die Arme ihren Opfern entgegengestreckt, drangen sie vor.

Die kreischenden Menschen flohen kopflos mal in die eine Richtung, mal in die andere Richtung. Die Zombies rangen jeden nieder, der ihnen zu nahe kam. Die Kamera erfasste einen Mann in den Fünfzigern. Graues, kurz geschnittenes Haar, schwarzer Nadelstreifenanzug, weißes Hemd und Weinrote Krawatte. Die Krawattennadel aus Platin und das neueste Brillenmodel eines namhaften deutschen Designers. Offensichtlich gut situiert, vielleicht ein Manager. Doch gegen die Klauen zweier Zombies kam er nicht an. Wie Eisen schlossen sich ihre Klauen um seine Arme und Beine. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen seine Peiniger, doch Sekunden später lag er auch schon auf dem Boden. Zwei weitere Zombies kamen heran. Zu viert zerrissen sie Jackett und Hemd und drangen weiter vor, bis Blut ihre Klauen bedeckte.

Dem Kameramann wurde es zu viel. Er stürmte am Gebäude der Hauptwache vorbei und schloss sich dem Strom von Flüchtlingen Richtung Alte Oper an. Auf dem Rathenauplatz passierte er eine Schützenlinie von Polizisten. Sie bezogen Position hinter zurückgelassenen Autos, Bänken und Mülltonnen. Offensichtlich ein Versuch die Flüchtigen zu schützen und die Zombies aufzuhalten. Ein paar Meter hinter der dürftigen Barrikade stoppte der Kameramann, drehte und filmte die heldenhaften Verteidiger.

Die Zombies bildeten eine heran wogende Wand verzerrter Gestalten. Gleichgültig marschierten sie in die Schusslinie der Polizisten. Nur zwei von ihnen waren mit automatischen Schnellfeuerwaffen ausgestattet. Die übrigen besaßen lediglich halbautomatische Faustfeuerwaffen. Sie ließen die Zombies herankommen, dann eröffneten sie das Feuer.

Unter der Wucht der ersten Salven stürzte eine große Zahl der Angreifer. Gebannt beobachteten wir, wie die Untoten einen ersten Rückschlag hinnehmen mussten. Immer mehr von ihnen fielen. Ein Hochgefühl ergriff Besitz von mir. Die Polizisten hielten sie auf. Es war möglich sie zu töten. Wir waren nicht wehrlos, wir besaßen eine Chance, dachte ich.


Dann, vor meinen von Grauen geweiteten Augen, erhoben sich die Gefallenen. Mein Verstand weigerte sich diese Tatsache zu akzeptieren. Es durfte einfach nicht sein. Langsam, aber unaufhaltsam, verdichteten sich ihre Reihen wieder. Von hinten drängten weitere Zombies heran, die durch den Lärm der Schüsse angelockt wurden. Sie erreichten die Barrikade und die Polizisten mussten zurückweichen. Immer wieder streckten sie Zombies nieder und immer wieder erhoben sie sich. Selbstverständlich erhoben sich nicht alle. Manche, die einen Kopftreffer erhielten, blieben liegen und schienen endgültig tot zu sein. Aber im Vergleich zur aufkommenden Flut waren es zu wenige. Mit leerem Blick wurde eine ehemals junge, gutaussehende Frau ins Knie getroffen. Sie reagierte überhaupt nicht, verspürte keinen Schmerz und humpelte weiter. Schließlich kam es, wie es kommen musste. Die Waffen klickten vernehmlich, als ihre Schlagbolzen auf leere Kammern trafen. Obwohl die Zombies kein Anzeichen größerer Intelligenz an den Tag legten, schienen sie ein Gespür für die daraus resultierende Schwäche ihrer Gegner zu haben. Sie beschleunigten ihre Schritte. Sie waren immer noch relativ langsam, doch es überrumpelte einige Menschen. Schnell wurden sie von den Zombies in Stücke gerissen. Ein Polizist, der einem Kollegen zu Hilfe eilte wurde umzingelt. Er feuerte Hilflos in alle Richtungen, bis auch seine Waffe leer war, dann verschwand er zwischen den Untoten.

Sonntag, 31. Mai 2015

Donnerstag 03.11.16 - Teil 1

Der Morgen danach war unspektakulär, geradezu banal. Ich war dem Tod von der Schippe gesprungen und nun stand ich im Keller vor der Waschmaschine und räumte die Buntwäsche ein. Noch etwas Weichspüler dazu, die Temperatur eingestellt und es ging los. Gedankenverloren blickte ich durch die Sichtscheibe der Wäschetrommel. Das Wasser lief ein und vermischte sich mit dem Waschpulver, dann begann sich die Trommel zu drehen.

Ich riss mich los. „Nicht so viel Nachdenken, mehr machen“, ermahnte ich mich. Als ich in unsere Wohnung zurückkehrte empfingen mich der Duft von Kaffee und frischen Brötchen. Wir frühstückten am Fernseher. Immer wieder rollte das Banner  „---Breaking News---“ auf allen Kanälen durch das Bild. Der Zombievirus war nach Deutschland gekommen.

Mittlerweile waren alle Flughäfen gesperrt. Kein anfliegendes Flugzeug durfte landen. Flugzeuge, denen der Treibstoff auszugehen drohte, wurden zu Militärbasen umgeleitet und unter Quarantäne gestellt. Niemand durfte diese Flieger für drei Tage verlassen.

Bilder vom Hauptbahnhof flimmerten über den Bildschirm. Soldaten, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute waren im Einsatz. Das Innere des Bahnhofs wurde jedoch nicht gezeigt. Spezialisten (Ja, es gibt tatsächlich Spezialisten für Zombieinvasionen!!!), Sicherheitsberater und Mediziner wurden interviewt. Man bezeichnete den Ausbruch des Virus als „unglücklichen lokalen Zwischenfall“, von dem selbstverständlich keine Gefahr für die ganze Stadt oder die umliegenden Gebiete ausging. Jedwede Gefährlichkeit wurde heruntergespielt. Der „Zwischenfall“ vom Frankfurter Hauptbahnhof wurde als tragisches Unglück dargestellt. Mein Bauchgefühl bewertete die Sachlage völlig anders.

Gegen Mittag durchforstete Paul das Internet. Überlebende und Helfer der Bahnhofkatastrophe schilderten ihre Erfahrungen bei den einschlägigen sozialen Netzwerken. Es überraschte uns nicht, dass viele Posts schneller wieder verschwanden, als sie eingestellt wurden. Paul entwickelte sich zu einer regelrechten Datenkrake. Unter Aufbietung all seiner Fähigkeiten sicherte er Informationen, die uns halfen ein Gesamtbild zu entwickeln. Die meisten Informationen belegten meinen Bericht des Erlebten. Allerdings gab es Spekulationen zur Herkunft der Zombies im Bahnhof. Paul streckte sich und bog den Rücken durch. „Gleisarbeiter berichten von ungewöhnlichen Vorfällen in der vergangenen Woche. Rund um den Bahnhof hörten sie Schreie und leises Wispern in den U-Bahn-Tunneln. Wahrscheinlich sind bei dem Vorfall am Flughafen einige Infizierte entkommen und haben sich über die Tunnel unter Frankfurt verbreitet.“ Ich nickte. „Wahrscheinlich, aber warum sind es am Hauptbahnhof so viele gewesen?“ Er zuckte mit den Achseln. „Vielleicht Reisende von den unteren Ebenen, die gerade frisch infiziert wurden?“ Ich schüttelte den Kopf. „Die Transformation geht sicherlich schnell, aber ihre Zahl war wirklich sehr hoch. Ob sich da unten so viele Menschen aufgehalten haben? Warum kamen vorher nicht flüchtende Gesunde?“ Darauf wussten wir beide keine Antwort.


Gegen 19.00 Uhr berichteten die Journalisten dann von der Frankfurter Zeil. Auf dem Platz vor der Hauptwache fand ein Charity-Konzert ortsansässiger Musiker statt. Mehrere Journalisten sprachen mit den Künstlern und Passanten. Im Hintergrund waren Kerzen, Feuerzeuge und Fackeln zu sehen. Paul und ich genossen gerade eine Kanne grünen Tees und knabberten dazu auf einigen Mürbeteigkeksen herum, als hinter einer blonden Reporterin im hellen, cremefarbenen Hosenanzug Panik ausbrach. Menschen sprangen auf und stürmten auf die Kamera zu. Die Reporterin wurde zu Boden geworfen. Ein Mann sprang von rechts ins Bild und versuchte ihr zu helfen. Er kam nicht weit. Immer mehr Menschen drängten voran und schoben den Retter, sowie den Kameramann vor sich her. Das Bild wackelte. Der Träger fiel und wurde unter mehreren Personen begraben. Er konnte sich jedoch befreien. Die Kamera wurde wieder hochgehoben und zeigte Bilder, die ich nie wieder vergessen würde. 

Sonntag, 24. Mai 2015

Mittwoch 02.11.16

Heute wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Die Ärzte schienen fast ein wenig enttäuscht. Ich zeigte keinerlei Anzeichen von zombiehaftem Verhalten und meine Bluttests waren negativ. Allerdings hätte mich interessiert, wie so ein positiver Bluttest aussah. Mehrere Offiziere der Bundeswehr ließen uns eine fünfzig-seitige Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Ich überflog sie nur kurz, da ich keine echte Wahl hatte. Wollte ich je wieder meine Freiheit genießen, führte kein Weg an einer Unterschrift vorbei. Wesentlich war jedoch, dass Vater Staat mir mein letztes Hemd nehmen würde, sobald ich etwas vom erlebten publik machte. Anschließend wurden wir mit Sammeltaxis nach Hause gefahren. Die Fahrt war ereignislos. Keiner sprach viel. Alle standen noch unter dem Eindruck der Ereignisse. Ich saß neben dem Schaffner, der übrigens Paul Damm hieß. Ich war im Laufe der Ereignisse noch nicht einmal dazu gekommen seinen Namen zu erfragen. Wir sagten uns kurz Lebewohl, dann stand ich alleine auf der Straße und sah den Minivan an der nächsten Kreuzung verschwinden.

Als ich die Wohnung betrat kam mir alles irgendwie surreal und fremd vor. Plötzlich stürmte alles auf mich ein. Eine Flut von Bildern riss mich mit sich. Da war Marc, mit dem ich noch Minuten vor seinem Tod sprach. Da waren die vielen Menschen, wie sie vor Panik kreischen, flohen und starben. Da waren meine Verfolger, wie sie nach mir grabschten und mich zerreißen wollten. Meine Beine gaben nach und ich sank im Flur zu Boden. Kauernd kamen die Tränen. Ich habe mich in meinem ganzen noch nie so hilflos gefühlt.

Irgendwann ist Paul aufgetaucht. Er redete mit mir wie mit einem kleinen Kind. Er tröstete mich, macht mir einen Tee und hört sich die ganze Geschichte an. Er machte mir etwas zu Essen. Dann steckte er mich ins Bett. Ich wachte mehrmals schreiend auf. Irgendwann forderte mein Körper sein Recht und ich schlief bis zum kommenden Morgen.

Mittwoch, 20. Mai 2015

Dienstag 01.11.16 - Teil 3

Wir hatten Glück mit den Gleisschaltungen. Wahrscheinlich weil der Zug unmittelbar vor dem Angriff abfahren sollte. Gemächlich rollten wir aus der Bahnhofshalle. Wir folgten der Trasse, die aufgrund von Lärmschutzbestimmungen wie ein trockenes künstlich angelegtes Flussbett wirkte. Anfangs verfolgten uns die Zombies. Als wir jedoch an Fahrt gewannen verloren sie uns schnell. Würden sie uns trotzdem verfolgen, vielleicht den Gleisen folgen? Erst jetzt merkte ich, dass unser schöner Plan eine gewaltige Schwachstelle besaß. Würde unsere Flucht die Zombies aus dem Bahnhof locken und ins besiedelte Umland treiben? Welchen Preis würde unser Ausbruch haben? Unterstützten wir die Monster in ihrem Bestreben sich in ganz Frankfurt auszubreiten? Eine weitere Ausbreitung mochte ich mir nicht ausmalen.

Mein Funkgerät heulte. Überrascht meldete ich mich. „Ja?“
Es knackte vernehmlich. Im Hintergrund hörte ich schwere Maschinen – wahrscheinlich Motoren – laufen. „Hier ist Leutnant Karl Immhof. Sie nähern sich mit einem Zug unserem Quarantäneposten. Drosseln sie das Tempo umgehend und bleiben sie an der roten Markierung stehen. Andernfalls werden sie und der gesamte Zug vernichtet.“ 
Mir stockte der Atem. „Sie sind von der Bundeswehr?“ 
„Ja! Drosseln sie sofort das Tempo und bleiben sie an der roten Markierung stehen. Andernfalls werden sie und der gesamte Zug vernichtet.“ 
„Aber wie“, brachte ich hervor, doch er unterbrach mich rüde.
 „Halten sie endlich den verdammten Zug an. Wir haben hier drei Leopard-Panzer stehen. Sollten sie ihnen zu nahe kommen, werden diese ihren Befehlen gemäß handeln!“ 
Das wirkte. Ich durchbrach meine Verwirrung und betätigte das Bremssystem. Zuerst nur auf der Einstellung LEICHT, fuhr ich die elektrischen Bremsen langsam höher. Eine weit geschwungene Kurve später kam der Posten in Sicht. Die Trasse war verbarrikadiert. Etwa zwanzig Meter hinter einer roten Reihe von Straßenbauhütchen hatte man alle Schienen entfernt. Stattdessen waren sie quer zur Fahrtrichtung eingebettet um einen möglichen Durchbruch mit dem Zug zu verhindern. Es folgten drei Reihen sternförmige Panzersperren, Stacheldraht und dahinter die Panzer in Dreieckformation. Ihre Mündungen zeigten allesamt auf mich. Auf beiden Wänden des künstlichen Flussbetts hockten zwanzig bis dreißig Soldaten. Ihre Waffen zielten auf den Zug. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. Mir fiel das Funkgerät wieder ein. „Es wäre schön, wenn sie ihren Leuten befehlen würden, nicht auf uns zu schießen.“
„Tut mir leid, wir haben unsere Vorschriften. Kommen sie mit erhobenen Händen aus der Lok. Legen sie sich auf den Bauch, dass Gesicht nach rechts und strecken sie alle Viere von sich.“ 
„Was ist mit den Menschen in den Wagons“, wollte ich wissen.
„Wir werden sie anschließend befreien. Stellen sie sich auf eine umfangreiche medizinische Untersuchung ein.“ Damit war für Immhof die Sache erledigt. Ich tat wie mir befohlen. 
Eine halbe Stunde später wurden wir mit einem Gefängnisbus in die nächste Klinik gefahren. Eine Stunde später fand ich mich in der Mensa der Klinik wieder. Vor mir ein heißer Teller Gulaschsuppe und ein älterer Soldat. „Gibt es noch andere Überlebende“, fragte ich, während ich die Suppe genoss. 
Er schüttelte den Kopf. „Außer Ihrer Gruppe hat es niemand geschafft. Sie sind die einzigen Überlebenden und deshalb benötigen wir von ihnen alle Informationen, die sie uns geben können.“ 
„Kein Problem“, erwiderte ich. „Aber wie haben sie von uns erfahren? Woher wussten sie, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen konnten?“ 
Er lächelte verschmitzt. „Ein vorgeschobener Spähtrupp meldete einen Ausbruch. Einen Zug mit drei Wagons. Da wir in Krisenzeiten Mittel haben den Funkverkehr zu überwachen, bereitete uns dies keine große Mühe. 
„Big Brother is watching you“, murmelte ich. 
Er lachte breit. „Das gehört zu unseren Aufgaben. Stellen sie sich mal vor wie blind wir auf einem Schlachtfeld wären ohne diese Fähigkeit.“ 
In den nächsten zwei Stunden erzählte ich ihm alles, sogar mehrmals. Ich ließ nichts aus. Als wir fertig waren sank ich erschöpft auf meinem Stuhl zusammen. Er packte seine Papiere zusammen und erhob sich. Dann schaute er mir ernst in die Augen. „Sie haben heute zweiundzwanzig Menschen das Leben gerettet. Das war sehr mutig.“ Er salutierte vor mir und ging. Träge erhob ich mich und schaffte es gerade noch in mein Zimmer. Dort fiel ich in mein Bett und schlief sofort ein.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Dienstag 01.11.16 - Teil 2


Wenn man sich nur lange genug in einer ausweglosen Situation befindet, fallen einem die abstrusesten Ideen ein. Vergeht noch ein wenig mehr Zeit hält man diese Ideen sogar für gut.

„Sind Sie bereit?“ Der Schaffner, ein weiterer Flüchtling namens Steffan und ich kauerten hinter der vordersten Tür von Wagon eins. Die Lok befand sich nur einen Meter von uns entfernt. In der vergangenen halben Stunde hatten wir mehrere wichtige Dinge gelernt: Erstens, die Bahn baute ihre Wagons doch stabiler als gedacht. Trotz massivem Ansturm war es den Monstren nicht gelungen einzudringen. Zweitens, die Zombies folgten den sichtbaren Menschen hinter den Scheiben. Drittens, aus irgendeinem Grund hatten wir mit unseren Handys keinen Empfang. Besonders letzteres ließ nichts Gutes erahnen. Da wir unter diesen Umständen keine Hilfe von außen erwarten durften, mussten wir uns aus eigener Kraft retten.

Wir fassten den Entschluss alle Flüchtlinge in Wagon drei (der von der Lok am weitesten entfernt war) zu sammeln und so die Zombies abzulenken. Zwei Freiwillige würden dann schnell die vorderste Tür von Wagen eins aufkurbeln und ein dritter Freiwilliger würde nach vorn zur Lok stürmen und alles Menschenmögliche tun, um sie zum Laufen zu bringen. Dabei würde der Schaffner aufgrund seines Knowhows zurückbleiben, Anweisungen über Funk geben und notfalls einen zweiten Läufer instruieren, falls der erste Versuch fehlschlug. Es war ein verzweifelter und völlig hirnrissiger Plan.

Und jetzt raten wir mal, wer sich für diese Aktion freiwillig meldete? Genau! Warum ich die Hand hob? Keine Ahnung! Heldenmut konnte es jedenfalls nicht sein. Dafür war ich einfach nicht der Typ. Wahrscheinlich lag es an der spärlichen Auswahl an Kandidaten. Die meisten Flüchtlinge waren Mütter, Kinder, Familienväter oder waren gänzlich technisch unbegabt.  Jetzt, in diesem Moment zitterte jede Faser meines Körpers vor Angst. Hoffentlich würde ich mich erst übergeben, wenn ich den Wagon bereits verlassen hatte. Immer wieder tauchte Marc in den letzten Momenten seines Lebens auf. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass ich genauso endete.

Ein Klaps auf die Schulter holte mich ins Hier und Jetzt zurück. Ich nickte. „Viel Glück“, flüsterte der Schaffner und drückte mir eines der Notfallfunkgeräte in die Hand, die wir in den Wagons gefunden hatten. Wenigstens verschonte er mich mit den salbungsvollen Worten meiner Leidensgenossen. „Ich danke Ihnen, Sie sind ein wahrer Held.“ „Viel Erfolg und passen Sie auf die Zombies auf.“ „Ich danke ihnen im Namen meiner (ungeborenen) Kinder.“ Und was ist mit meinen? Ich hatte immer gehofft eine Familie zu haben und im Beisein meiner Frau friedlich zu entschlafen.

Immer wieder hob ich meinen Kopf und prüfte ob die Luft rein war. Bisher hatten wir Glück. Als die Tür endlich weit genug offen stand, schlüpfte ich hinaus. Möglichst geräuschlos bahnte ich mir meinen Weg zur nahen Leiter, die ins Cockpit der Lok führte. Obwohl ich nie sonderlich religiös war, betete ich zu Gott, dass sich kein Zombie innerhalb des Führerhauses verstecken möge. Langsam, Schritt für Schritt, tastete ich mich vorwärts. Der Kies knirschte leise unter meinen Füßen. Da die Zombies knapp fünfzig Meter von mir entfernt einen riesigen Lärm machten bestand jedoch keine Gefahr gehört zu werden.

Problemlos erreichte ich die Leiter der Diesellok. Vorsichtig schwang ich mich der Tür entgegen. Durch das Fenster sah ich weder Zombies, noch Leichen oder den Lokführer. Vielleicht hatte er die Flucht ergriffen. Vorsichtig betätigte ich den Öffner. Es knirschte vernehmlich. Hinter mir ein Fauchen. Ich riss den Kopf herum. Zwei Gleise weiter schaute eine verkrümmte Kreatur mit blutigem Mund über den Bahnsteig, direkt zu mir herüber. Warum war dieses Mistvieh nicht bei den hinteren Wagons? Schon schrie es schrill auf und alarmierte die anderen Zombies. Hastig wandte ich mich wieder der Tür zu. Der Öffner knirschte noch ein wenig mehr, aber die Tür rührte sich nicht. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie sich eine Gruppe vom hinteren Wagon löste und sich in meine Richtung bewegte. Verzweifelt schlug ich gegen die Scheibe. Dann sah ich die Tür auf der anderen Seite. Ich sprang herunter. Mit einer Geschwindigkeit, die ich mir selbst kaum zugetraut hätte, stürmte ich um die Lok herum. Hier schien mich noch kein Zombie bemerkt zu haben. Erneut schwang ich mich nach oben. Der Türöffner knirschte. Da tauchten bereits die ersten Verfolger auf. Ich drückte die Tür mit aller Kraft nach innen. Sie bewegte sich dermaßen langsam, dass ich zuerst glaubte sie würde sich gar nicht bewegen. Es waren sieben Zombies. Einer scheußlicher als der andere. An ihren Körpern konnte man deutlich erkennen auf welch grauenhafte Weise sie gestorben waren. Sie hatten mich fast erreicht. Die ersten beiden, ein Mann und eine Frau, streckten bereits die Hände nach mir aus. Endlich war der Spalt in der Tür groß genug und ich zog mich hinein. Keine Sekunde zu früh. Einer erwischte mich am rechten Bein. Ich stürzte. Wild fluchend trat ich am Boden liegend um mich und erwischte den Kopf des Übeltäters, woraufhin dieser nach hinten kippte und knirschend auf dem Kies landete. Vom Adrenalin aufgeputscht sprang ich auf. Schon setzten die nächsten Verfolger nach, doch ich hatte Glück. Getrieben von Mordlust und ihrem Hunger nach allem Lebendigen, behinderten sich zwei beim Aufstieg. Mit aller Kraft, die mir noch verblieben war, wuchtete ich die Tür zu. Zur Sicherheit betätigte ich noch das Schloss. Hier kam niemand mehr rein.

Ich atmete auf. Das war verdammt knapp. Selbst schuld, dachte ich. „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“, lautete ein altes Sprichwort. Ich checkte kurz mein Bein. Kein Biss. Der Zombie hielt mich lediglich fest. Dann begann ich mich umzusehen. Es war niemand zu sehen. Eine Schiebetür führte laut Schaffner nach hinten in die Elektronik. Wenn da jetzt ein Zombie drin wäre, hätte ich keine Chance zu entkommen. Draußen lauerten meine Verfolger. Der Bahnhof lag fest in Zombiehand. Wo sollte ich also hin? Vielleicht, wenn ich ihn überraschte? Glücklicherweise schluckten meine Sneakers (Oha, ein Wortspiel! Füße hoch, der kommt flach!) jedes Geräusch. Langsam tastete ich mich an die Milchglasscheibe der Schiebetür heran. Dahinter war keine Bewegung zu erkennen. Die Bahningenieure hatten bei der Konstruktion der Lok eindeutig nicht mit einem Angriff der Zombies gerechnet. Vor meinem geistigen Auge sah ich einen sprungbereiten Zombie auf mich warten. Natürlich konnte ich die Tür geschlossen lassen und den Zug starten. Würde ein Zombie mich allerdings während der Fahrt angreifen und töten, würden die anderen Flüchtlinge nicht mehr eingreifen können und vielleicht durch ein Zugunglück sterben. Ich hatte mich entschieden. Meine Hand umfasste den Griff. Entschlossen zog ich die Tür auf und… Das Funkgerät ertönte. Das verdammte Funkgerät ertönte ausgerechnet in diesem Moment. Mein Herz setzte aus. Ich sprang zurück und wappnete mich für einen Angriff. Doch er blieb aus. Der Elektroraum war leer. Todesursache Herzinfarkt und das bei einer Zombieinvasion.


Ich ging ran. Wir besprachen uns kurz. Der Schaffner erklärte mir detailiert, was zu tun war. An seiner angespannten Stimme bemerkte ich, dass sich die Situation der anderen Flüchtlinge nicht verbessert hatte. Mühsam und begleitet von mehreren Fehlschlägen startete ich die Maschinen und brachte den Zug langsam in Fahrt. Wir mussten mit allem rechnen. Gleise konnten quer geschaltet sein. Wir konnten auf ein Abstellgleis geraten. Alles war möglich. So brachen wir auf und harrten der Dinge, die da kommen mochten.

Mittwoch, 6. Mai 2015

Dienstag 01.11.16 - Teil 1

Ich bin heute von Hannover mit der Bahn zurückgefahren. Es war nicht gerade erste Klasse, aber die Abteile waren erstaunlich sauber und die Mitreisenden unproblematisch. Ich lernte Marc kennen. Er stammte aus Frankfurt und verbrachte in Hannover ein verlängertes Wochenende bei seiner Freundin. Er lass Einführung in die moderne Theologie. Wer hätte das gedacht. Ein Pastor in Ausbildung. Sofort diskutierten wir über Gott und die Welt, buchstäblich. Dazu genossen wir einen milden Kaffee aus meiner Thermoskanne und ein paar Schokoriegel von ihm. Schließlich kam es, wie es kommen musste.
„Wie kann Gott all das Leiden zulassen“, fragte ich. 
„Dieser Frage muss sich jede große Religion schon seit Beginn der Zeitrechnung stellen“, erwiderte er. „Und?“ 
„Ich fürchte auf diese Frage gibt es keine gute Antwort. Als Christ gehe ich davon aus, dass auch das Leid von Gott kommt.“ 
Das überraschte mich. „Gott ist also nicht gut?“ 
„Nein“, antwortete er, „zumindest nicht nur. Hast du mal in die Bibel gesehen? Gott hat viele Facetten. Ich weiß das Gott uns liebt, aber warum er das Leid in dieser Welt zulässt bleibt ein Geheimnis. Es wird auch ein Geheimnis bleiben, da er selbst ein kaum lösbares Rätsel darstellt.“ Er lächelte etwas hilflos.
„Wir wissen also, dass wir nichts wissen“, fasste ich zusammen. 
„Wir wissen aber, dass er uns in unserem Leiden begleitet und uns beisteht und uns manchmal sogar rettet.“ Ich war mir nicht sicher ob ich wirklich verstand was er damit meinte. „Und der Zombievirus?“ 
Er überlegte eine Weile. „Darauf kann ich dir keine Antwort geben. Manchmal schickt uns Gott eine Krankheit, weil er uns damit etwas sagen will. Manchmal ist die Krankheit selbst eine Botschaft des Herrn.“ „Wir sind also selbst daran schuld, wenn wir krank werden? Wir haben also unser Leid selbst zu verschulden?“ 
Er hob abwehrend die Hände. „Nein, dass hast du missverstanden. Es mag einige Menschen geben, die ihr Leid selbst verschulden – wenn sie z.B. zu viel trinken und am nächsten Morgen einen Kater haben – aber Krankheiten, Schicksalsschläge, usw. kommen einfach über uns. Ich glaube jedoch, dass sie manchmal eine Nachricht, eine Botschaft für uns enthalten.“ 
Wir schwiegen eine Weile und jeder hing seinen eigenen düsteren Gedanken nach.

Gegen 16.00 Uhr fuhren wir im Frankfurter Hauptbahnhof ein. Ich half Marc bei seinem Gepäck. Auf dem Bahnsteig tauschten wir die Handynummern und verabschiedeten uns. In diesem Moment kam die erste Durchsage: „Wegen eines technischen Defekts verzögert sich die Weiterfahrt um 15 Minuten!“ Wir lachten. „Typisch Bahn“, bemerkte er. „Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt noch funktionierende Fahrpläne haben.“ Wir gaben uns die Hand. Ein lauter Knall donnerte von der Eingangshalle herüber. Wir fuhren erschrocken herum. Es war jedoch nichts zu sehen. Er lächelte. „Wahrscheinlich nur ein paar Kids, die Böller in die Mülltonnen geworfen haben.
„Frankfurt ist eben ein heißes Pflaster“, bemerkte ich ironisch. Dann trennten wir uns.

Ich schaute ihm noch eine Weile nach, unschlüssig ob ich mir einen Kaffee aus dem nahegelegenen Bahnhofskiosk holen sollte oder nicht. Ich diesem Moment schlurften verkrümmte Gestalten aus den unteren Ebenen des Bahnhofs nach oben. Blutüberströmt, mit hängenden Armen und wirrem Blick. Es war wie im Film. Sie torkelten auf einzelne Passanten zu und fielen sie an. Wie wilde Bestien stürzten sie sich auf sie und bissen sie in den Hals oder in die abwehrenden Arme, schlugen auf sie ein oder drängten sie zurück. Schnell brach Panik aus. Ich sah Marc, wie er von Flüchtenden zu Boden geworfen wurde und in einen Pulk der Infizierten geriet. Drei stürzten sich auf ihn, rissen ihn zu Boden und schlugen, bissen und rangen. Ich sah wie er sich wehrte. Einen Moment lang wollte ich hin und ihm beistehen, ihn retten. Doch es kamen immer mehr Zombies. Eine wahre Flut ergoss sich in die Bahnhofshalle und breitete sich schnell aus. Schon war er von einem großen Pulk umringt. Das letzte was ich sah, war das Blut, das aus Marcs zahlreichen Verletzungen spritzte und ich wusste, dass ich zu spät kommen würde.

Die Infizierten drangen unaufhaltsam vor. Sie nahmen den Haupteingang ein. Mehrere Gruppen marschierten in die kleinen Geschäfte und fielen über die Angestellten und Kunden her. Es war grauenhaft. Schreie gellten durch die Bahnhofshalle. Das Chaos regierte. Ein paar mutige Sicherheitsmänner der Bahnpolizei versuchten die Zombies aufzuhalten. Vergeblich! Sie wurden nach und nach niedergerungen und in Stücke gerissen. Drei Polizisten gaben mehrere Schüsse auf die Eindringlinge ab. Es gelang ihnen sogar einige Zombies aufzuhalten oder sogar endgültig zu töten, doch es waren einfach zu viele. Schon drangen sie auf die Gleise und Bahnsteige. Flüchtende mit weit aufgerissenen Augen und von Panik entstellten Gesichtszügen stürmten auf mich zu. Einige schafften es in ihre Züge, doch die Türen schlossen sich nicht. In den Wagons wurden sie von den langsameren, aber unaufhaltsamen Monstren eingeholt. Ich sah, wie sie so weit wie möglich zurückwichen. Ich sah, wie sie versuchten Scheiben einzuschlagen. Ich sah, wie die ersten Opfer sich wieder erhoben und sich der Zombiehorde anschlossen. Es war bizarr. Dann bewegten sie sich zielstrebig in meine Richtung.

Endlich löste auch ich mich aus meiner Angststarre. Ich machte auf dem Absatz kehrt und stürmte in die entgegengesetzte Richtung. An mein Gepäck verlor ich dabei keinen Gedanken. Notfalls würde ich auf die Gleise springen und so den Bahnhof verlassen. Nur weg von der tödlichen Meute. Doch es war wie in einem Alptraum. Einige hatten sich schon an den Seiten der Bahnsteige vorgearbeitet und krochen nun zwischen den Wagons nach oben. Einige blieben dabei an den offen liegenden Stromleitungen hängen und zappelten schrill schreiend.

„Hier rüber!“ Am Ende des Bahnsteigs stand ein Zugschaffner, der hektisch winkend die flüchtenden Menschen zu sich rief. In Ermangelung einer Alternative und weil ich in Panik sowieso nicht klar denken konnte, rannte ich so schnell ich konnte auf ihn zu. Es würde knapp werden. Immer mehr Zombies kamen von beiden Seiten nach oben, aber wenigstens waren sie nicht sehr schnell.

Ich war einer der letzten Flüchtigen, die eintrafen. Ich sprang in den Wagon. Erst jetzt fiel mir auf, dass er ziemlich weit hinten stand. Offensichtlich handelte es sich um einen Sammelzug, dessen Wagons in Frankfurt aufgeteilt worden waren und in verschiedene Richtungen weiterfuhren. 
„Sind hier Zombies drin“, fragte ich, um Luft ringend. 
Er schüttelte den Kopf. „Noch nicht.“ Er tippte auf dem Display an der Tür herum, drückte mehrere Knöpfe und drehte seinen Schlüssel. Nichts passierte. Er fluchte. Mir schwante böses. 
„Was ist?“ 
„Der Lokführer hat die Elektrik stillgelegt.“ 
„Und das bedeutet“, wollte ich wissen.
 „Wir stecken hier fest!“ Wütend schlug er auf das Display. „Solange der Lokführer die Systeme nicht freischaltet, können wir die Türen nicht schließen.“ Hilflos rang er die Hände. 
„Gibt es kein Notfallsystem?“ 
Das riss ihn aus seiner Ohnmacht. Verblüfft schaute er mich an. „Natürlich, aber wir müssten die Türen Manuell schließen. Da es sich um moderne Schiebetüren handelt müssen wir ganz schön kurbeln.“ Ohne zögern beschrieb er den Umstehenden schrittweise, wie sie die Türen schließen konnten. Es gelang. Keine Sekunde zu früh.
Unsere Sicherheit war nur vorübergehend. Zombies waren keine Gehirnakrobaten und in diesem Fall war eine kreative Problemlösung auch nicht notwendig. Durch die großen Fenster sahen sie ein reichhaltiges Buffet. Schnell umringten hunderte unseren Zug und schlugen mit Händen, Fäusten und Köpfen auf die Scheiben ein. Einige wenige kletterten sogar auf den Zug. Wir waren gefangen.
Hektisch suchten wir nach einem Ausweg aus der Misere. Der Schaffner versuchte über die Kommunikationsanlage Kontakt mit dem Lokführer aufzunehmen. Er erhielt keine Antwort. Er fluchte. „Wenn es den Lokführer erwischt hat“, er ließ den Rest unausgesprochen.

Wir schwiegen. Nur wenige Zentimeter von uns entfernt trommelten die Zombies gegen die Türen und Fenster. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie es hineinschafften. Die wenigen Flüchtenden standen in den Gängen. Nackte Angst zeichnete ihre Gesichter. Es gab keinen Ausweg. Ich schloss die Augen. So würde es also enden, zerfleischt von mordlustigen Wahnsinnigen, getrieben von einem heimtückischen Virus.

Sonntag, 3. Mai 2015

Montag 31.10.16

Die Sorge um Steffen und die blutigen Bilder haben mich die Nacht über wach gehalten. Vor dem Brunch um 10.00 Uhr, entschließe ich mich, noch einen Sparziergang zu machen. Ich laufe in die nahe Fußgängerzone und organisiere mir einer alten Gewohnheit folgend Kaffee und eine Tageszeitung. Auf einer Bank mache ich es mir gemütlich und nippe an der heißen Flüssigkeit. Ich schmecke wie üblich mehr den Pappbecher, als den Kaffee. Auf einen Blick in die Zeitung verzichte ich dann doch. Ich möchte nachher nicht ständig an den Virus oder Steffen denken müssen. Ich beobachte, wie die Menschen ihren täglichen Verrichtungen nachgehen. Keiner scheint Angst zu haben oder wirkt unruhig. Wir leben in einem sicheren Land, beschwichtige ich mich.
Das Vorstellungsgespräch ist prima gelaufen. Nach einem einstündigen Brunch verbrachte ich den größten Teil des Tages in den Räumlichkeiten von Alternate Power Industries. Der Geschäftsführer zeigt mir die Firma und meinen zukünftigen Aufgabenbereich. Tim macht keinen Hehl daraus, dass er mich für den geeignetsten Kandidaten hält. In meiner Masterarbeit habe ich mich intensiv mit der Sensibilität von Solarzellen befasst und wie sie sich steigern lässt. Sein Nachname ist Braun, aber alle sprechen sich mit dem Vornamen an. Typisch amerikanische Firmenpolitik. Mir soll´s recht sein.
Als ich gegen 18.00 Uhr ins Hotel zurückkehre bin ich erschlagen von den Eindrücken, daher gehe ich noch eine Runde in den Whirlpool.

Um einer möglichen Schlaflosigkeit vorzubeugen begebe ich mich auf einen abendlichen Streifzug durch die Hannoveraner Innenstadt und finde einen Salsa-Club. Ich habe schon ewig nicht mehr getanzt. Drei Lieder und zwei Tanzpartnerinnen später bin ich in meinem Element. So bemerke ich die SMS von Steffen erst, als ich zurück im Georgshof bin. „Vielen Dank für deine Anteilnahme. Kein Grund zur Besorgnis. Ich lebe noch.“ Die Nachricht ist auffallend kurz.

Mittwoch, 29. April 2015

Sonntag 30.10.16

Die Bahn hat zwar wieder eine kleine Ewigkeit gebraucht, aber das Hotel ist der Hammer. Mit Blattgold verzierte Badezimmerarmaturen. Dekadenter geht es kaum. In meinem Bett können locker zwei Personen schlafen und die Gerichte vom Zimmerservice ein Traum. Mein perfekt angerichteter Kaffee hat ein kompliziertes Pflanzenmuster in seiner Crema. Ich genieße dazu gerade ein gewaltiges Stück Erdbeertorte, als im Fernsehen die Bombe Platzt.

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Ausnahmezustand am Frankfurter Flughafen. Schwere Kämpfe zwischen der Polizei und aus Afrika kommenden Reisenden. Dreißig Tote, zwanzig zum Teil schwer verletzte. Fünf Polizeibeamte getötet, drei schwer verletzt. Die Untersuchung der tragischen Ereignisse dauert an.

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Sofort greife ich nach meinem Telefon aber Steffen meldet sich nicht. Ein Mann wie ein Bär. Wahrscheinlich ist ihm nichts passiert, doch ich bin beunruhigt. Eine halbe Stunde versuche ich ihn zu erreichen, nichts. Ich hinterlasse ihm eine Nachricht auf der Mailbox und schicke zur Sicherheit Nachrichten per SMS und Messenger. Wie gebannt verfolge ich noch eine Stunde die Nachrichten, doch neues erfahre ich nicht.
Um mich auf andere Gedanken zu bringen verlasse ich mein Zimmer und suche den Fitnessraum des Georgshofs. Der „Raum“ entpuppt sich als Halle und beinhaltet mehr Geräte, als mein Stammfitnesscenter. Ich wärme mich eine viertel Stunde auf dem Hometrainer auf, wechsle für eine halbe Stunde aufs Laufband, um schließlich bei einigen Hantelübungen meine Brustmuskeln, meinen Bizeps und Trizeps zu trainieren. Dicke Muskelberge bekomme ich bei den aufliegenden Gewichten nicht, aber es entspannt mich und lenkt mich von meiner Sorge um Steffen ab.

Als ich wieder ins Zimmer zurückkehre versorgt mich der Fernseher mit neuen Infos. Viel ist es nicht, aber es werden verwaschene Bilder einer Handykamera gezeigt. Es sind Bilder wie aus einem Horrorfilm. Menschen fallen übereinander her. Springen einander an, schlagen, treten und beißen einander. Gebissene Menschen, die sich zuvor völlig unauffällig verhielten drehen kurze Zeit später ebenfalls durch und greifen flüchtende Passanten an. Besonders eine Szene wird diskutiert. Ein Polizeibeamter schießt mehrmals auf einen scheinbar irre gewordenen Angreifer. Dieser scheint es jedoch kaum zu spüren und tötet den Schützen. Die Tat ist so bestialisch, dass ich sie nicht näher zu beschreiben vermag. Ein hinzugezogener medizinischer Berater spricht von der aufputschenden Wirkung von Adrenalin und dem Schock durch die Treffer. Mich erinnert es eher an einen Film über einen Fahrradkurier, den ich vor einer gefühlten Ewigkeit gesehen habe.

Montag, 27. April 2015

Mittwoch 26.10.16

Ich habe endlich eine Zusage bekommen. Ein Vorstellungsgespräch bei Alternate Power Industries, einer kleinen legendären Klitsche.

Sie existiert erst seit zwölf Jahren und beschäftigt gerade einmal einhundert Mitarbeiter. Jeder ein Spezialist auf seinem Gebiet. Das sie mich überhaupt in die engere Wahl aufgenommen haben lässt mein Ego vorübergehend ins Unermessliche wachsen. 

Seit der Gründung von API sind alle wesentlichen Fortschritte auf dem Gebiet der regenerativen Energien auf sie zurückzuführen. Und sie wollen wirklich mich! Ich kann es kaum glauben. Paul meinte nur trocken: „Den Seinen gibt´s der Herr im Schlaf.“  

Mir egal. Am Sonntag fahre ich mit der Bahn nach Hannover. Am Montag findet das Vorstellungsgespräch beim Brunch im Georgshof statt, in dem ich für drei Nächte einquartiert werde. Ein echtes Luxushotel. Da könnte ich mich dran gewöhnen.

Samstag, 25. April 2015

Samstag 22.10.16

Steffen hat mir abgesagt. Wir waren im selben Abiturjahrgang und haben so manche Nacht durchgezecht. Über die Jahre hat sich eine Tradition herausgebildet. Am letzten Samstag im Monat gehen wir ins Kino. Wir haben denselben Geschmack bzgl. wirrer und abgefahrener Filme, die sonst keiner sehen will. Wir wollten gemeinsam in den neuen Film mit Robert Downey jr. gehen, doch seit dem Zwischenfall am Frankfurter Flughafen hat man die Sicherheit an den großen deutschen Flughäfen verstärkt. Jeder verfügbare Polizist ist im Einsatz. 
Er hat die Aufgabe die am Terminal 2 ankommenden Passagiere zu überwachen. Er war sehr wortkarg am Telefon. Das ist er immer wenn er sehr nervös ist. Ich verstehe ihn. Auch wenn er bei der Schießerei am Donnerstag nicht dabei war, die Aussicht, vielleicht auf kranke Menschen schießen zu müssen, belastet ihn sehr. 
Steffen ist Polizist aus Überzeugung. Er wollte schon immer Menschen helfen und sie gegen Ungerechtigkeit und Gewalt verteidigen. Auf einen Unschuldigen zu schießen ist eine ganz andere Sache.

Mittwoch, 1. April 2015

Freitag 21.10.16

Eine Woche ist vergangen. Ich hatte keine Lust zu schreiben. Ich hatte keine Lust irgendetwas zu tun.
Alex hat sich seit unserem Abend in der Krone nicht mehr gemeldet. Seit Tagen bin ich genervt, aggressiv und ziemlich enttäuscht. Kann ich die Signale so missverstanden haben? Wir waren wie verliebte Teenager. Wir haben getanzt, gelacht und uns geküsst. Seitdem Funkstille. Sie geht nicht ans Telefon und beantwortet keine meiner Nachrichten. Das war es dann wohl. Warum sollte sich eine so tolle Frau auch für mich interessieren. Selbstbewusst ist anders!

Paul dagegen sieht die Sache entspannt. Es betrifft ihn ja auch nicht! Seine Maxime lautet:

„Kein Mann wird je in der Lage sein die Frauen zu verstehen!“

Da scheint was dran zu sein.

Auch meine Versuche mit Carsten Kontakt aufzunehmen bleiben erfolglos. Ich mache mir Sorgen um ihn. Die Nachrichtensender bringen wieder eine Sondersendung nach der anderen. Gestern kam es zu einer Schießerei am Frankfurter Flughafen. Ein Mann vom Grenzschutz erschoss einen jungen Mann aus Benin, einem kleinen Land westlich von Nigeria. Der Mann war anscheinend von der afrikanischen Seuche befallen und brach aus der Quarantänestation aus. Der Grenzschützer sah sich gezwungen zu schießen, als der Afrikaner mehrere wartende Touristen angriff und zum Teil lebensgefährlich verletzte.


Immerhin hat die TU mein Abschlusszeugnis geschickt. Notendurchschnitt 1,2. Ich bin vor Stolz fast geplatzt. Das hat mir Auftrieb gegeben. Sofort habe ich es kopiert, die Kopien beglaubigen lassen und zwanzig Bewerbungen losgeschickt.

Samstag, 28. März 2015

Freitag 14.10.16

Endlich Wochenende. Heute habe ich Alex getroffen. Ich ging gerade über den Luisenplatz und plötzlich stand sie vor mir. Sie ist nicht nur hübsch und sexy, sondern schlichtweg schön. Sie strahlt eine Lebenslust aus, die mich mitreißt. Wir trinken einen Kaffee zusammen. Eine Stunde vergeht wie im Fluge. Ich lade sie für morgen Abend zu einem Konzert in der Krone ein. Sie stimmt sofort zu. Ich bin der glücklichste Mann auf der ganzen Welt.

Carsten meldet sich wieder. Nichts Neues von der Seuchenfront. „Mittlerweile steht das Camp unter militärischem Schutz. Wir wissen auch nicht warum.“ Er sieht abgekämpft aus. Seine schwarz geränderten Augen liegen tief und sind nur halb geöffnet. „Allerdings sind immer wieder Schüsse zu hören. Einige Kollegen vermuten die Machenschaften ortsansässiger Warlords. Wahrscheinlich versuchen sie an unsere Medikamente und drogenähnliche Substanzen heranzukommen.“ Die Verbindung ist schlecht und bricht nach nur fünf Minuten zusammen.

Mittwoch, 25. März 2015

Dienstag 11.10.16

Beinahe hätte ich heute nichts geschrieben. Meine Gedanken sind zwischen meiner beruflichen und privaten Zukunft gefangen. Welche Jobangebote (neben API) werde ich erhalten und welches sollte ich schließlich annehmen? Dann spukt mir ständig Alex durch den Kopf und schließlich gibt es da noch diese seltsame afrikanische Seuche. 
Überraschend meldet sich Carsten gegen 19.00 Uhr über Skype. Er behauptet es gehe ihm gut, doch er sieht richtig fertig aus. Schwarze Ränder unter den Augen sprechen von zahlreichen durchgearbeiteten Nächten. Es ist ein kurzes Gespräch. 
„Wir wissen immer noch nicht, mit was wir es hier zu tun haben.“ Er schüttelt hilflos den Kopf. 
„Wir sind in einer Zeltstadt untergebracht. Raus dürfen wir nicht. Wir sind vollkommen abgeschirmt. Niemand lässt uns auch nur in die Nähe eines Patienten. Gelegentlich erhalten wir Blut- oder Gewebeproben. Leider stammen sie meist von Verstorbenen. Mit totem Gewebe kann man einfach nicht so viele Tests machen. Vielleicht können wir in den nächsten Tagen ja mehr erreichen.“

Sonntag, 22. März 2015

Montag 10.10.16

Hier in der Lauteschlägerstraße ist wieder der Alltag eingekehrt. Ich bin seit gestern Abend wieder zurück und Paul hat heute den Zuschlag für eine von zwei Doktorandenstellen seines Fachbereichs erhalten. Kurz nach Erhalt des Anrufs stürmte er hinüber zum Verwaltungsgebäude und unterschrieb den Vertrag. Mittags nahm er dann sein erstes eigenes Büro in Augenschein. 
Ich freue mich für ihn und bin gleichzeitig ein bisschen neidisch. Meine Zeugnisse sind noch immer nicht eingetroffen. Um für meinen Lebensunterhalt aufzukommen, verbringe ich den größten Teil des Tages bei unglaublich selbstbewussten Abiturienten, die zum Ausgleich in Mathe große Lücken haben und gebe ihnen Nachhilfe. 

Samstag, 21. März 2015

Samstag 08.10.16

Das Wochenende verbringe ich bei meinen Eltern in Michelstadt. Es tut gut einige Tage in der alten Heimat zu verbringen. Ich besuche Schulfreunde, hänge in den Brauereien der Stadt ab und wandere in den nahe gelegenen Wäldern. Ich genieße die Ruhe.

Wenn ich doch einmal den Fernseher einschalte ist von Afrika nichts mehr zu sehen oder zu hören. Es ist als hätten die Sender das Interesse an der Seuche gänzlich verloren. Schon seltsam.

Mittwoch, 18. März 2015

Donnerstag 06.10.16

Carsten fliegt morgen nach Abuja. Ich habe noch nie davon gehört. Google Maps behauptet es liege in Nigeria. 

Die Ärzte ohne Grenzen haben um die Hilfe namhafter Wissenschaftler bei der Isolierung und Analyse des Erregers gebeten. 
Von denen traut sich aber keiner in die heiße Zone. Sie benötigen wissenschaftliches Fachpersonal, das für sie Augen und Ohren offen hält. Carsten hat sich freiwillig gemeldet. Für ihn ist das ein großes Abenteuer. Er war ganz aufgeregt und erzählte etwas von Karierechancen und Aufstiegsmöglichkeiten. Ich habe versucht mit ihm über die Gefahren zu sprechen. Er hat kaum zugehört.


Spontan organisieren wir eine kleine Abschiedsparty. Ich telefoniere und benachrichtige Carstens engste Freunde. Wir treffen uns im Tuareg, einem arabischen Restaurant. Wie sich arabisches Essen von unserem unterscheidet? Keine Ahnung, bin schon neugierig.

Mit dabei ist Alex. Wir verstehen uns auf Anhieb. Sie ist ein ganz besonderer Mensch. Sie sieht selbst in Jeans und Pulli gut aus, ist intelligent und hat eine gewisse Bodenhaftung, die ich sehr schätze. Danach tingeln wir durch die Bars und Kneipen. Wir sind die halbe Nacht unterwegs. Keiner möchte über die Gefahren von Carstens Einsatz in Nigeria sprechen. 
Als wir uns trennen fällt uns der Abschied schwerer als sonst. Wir spüren die Gefahr, in die er sich begibt. Doch wir sprechen es nicht aus. Carsten ist alt genug und sollte die Gefahren besser einschätzen können als wir. Als Paul und ich nach Hause gehen, herrscht bedrücktes Schweigen. In der Wohnung witzeln und lachen wir über jeden noch so blöden Spruch, nur um das Thema Seuche nicht anschneiden zu müssen.

Sonntag, 15. März 2015

Mittwoch 05.10.16

Ich habe die letzten Tage am Telefon verbracht und mit den Personalchefs großer Firmen gesprochen. Zwischendurch habe ich meine Bewerbungsmaterialien aktualisiert.

Ja! 

Ich weiß, dass die Verwaltung der UNI noch mindestens zwei Wochen für den Papierkram braucht. Andererseits muss ich meine neu gewonnene Energie irgendwie in Aktivität umsetzen, sonst explodiere ich. 
Leider erhalte ich keine definitive Zusage, solange die Firmen mein Abschlusszeugnis nicht vorliegen haben. Immerhin habe ich erfahren, dass Ingenieure mit meiner Fachrichtung gefragt sind. Regenerative Energien sind auf dem Vormarsch. Meine Chance den Planeten zu retten.

Den Fernseher lasse ich aus. Ständig laufen Sondersendungen über eine neue afrikanische Seuche. Die sensationsgeilen Sender schüren bewusst die Angst ihrer Zuschauer und ich hatte schon immer einen Hang zum Hypochondrie. Keine gute Kombination.

Paul kommt heute spät und so beschließe ich für uns zu "kochen". Als wir gemütlich bei asiatischen Reisbällchen, Lachs in Dill-Soße und Weißwein sitzen (immerhin habe ich den Reis nicht anbrennen lassen), klingelt das Telefon. Es ist Carsten. Er arbeitet als Virologe bei Darmstadts größtem Pharmaunternehmen. Zwangsläufig kommen wir auch auf die neue Seuche zu sprechen. 
Leider kann er meine Ängste nicht zerstreuen. Keiner weiß was für eine Krankheit da unten wütet. Sie sei hoch ansteckend und greife schneller um sich als Ebola. Er behauptet jedoch, dass für uns keine Gefahr bestehe. Nach dem Telefonat mache ich uns einen Irish-Coffee, einen sehr irischen.

Freitag, 13. März 2015

Samstag 01.10.16

Ich habe heute zwei Dinge gelernt:

1. Wer viel trinkt sollte es vertragen können! 

2. Ich kann das offensichtlich nicht.

Das Essen beim Mexikaner war Prima, die Stimmung ausgezeichnet und wir haben bis heute Morgen um 05.00 Uhr in verschiedenen Locations gefeiert. Mann, war das eine Nacht. Doch im Leben gibt es selten etwas umsonst. Die Zeit von 05.00 bis 07.00 Uhr verbrachte ich leidend auf der Toilette. Das Mitleid von Paul hielt sich in Grenzen. Er lachte nur und trank die zwei letzten Flaschen Pils alleine.


Als ich spätnachmittags mit dröhnendem Schädel erwachte, war mit mir nicht mehr viel anzufangen. Ich lümmelte auf der Couch und schaute fern. Die Nachrichtensender brachten Sondersendungen am laufenden Band. Irgendeine neue Seuche in Afrika. Hat dieser Kontinent noch nicht genug mitgemacht? Vor zwei Jahren ist ein Fünftel der Bevölkerung an Ebola gestorben. Letztes Jahr kamen dann die prognostizierten Hungersnöte, durch die klimatischen Veränderungen. Oh man! Ich schiebe eine DVD rein und sehe mir an wie ein Fahrradkurier dreißig Tage später aus dem Koma erwacht und von Zombies zuerst durch London und später durch weite Teile Englands gejagt wird.

Donnerstag, 12. März 2015

Freitag 30.09.16

Mein erster Blogeintrag. In der prädigitalen Ära schrieb man seine täglichen Erlebnisse in ein Tagebuch. Dieses versteckte man unter der Matratze oder im Nachttisch. Heutzutage schreibt man seine Erlebnisse für alle gut sichtbar in einen öffentlichen Blog und lässt sich dafür feiern. Tja, man muss eben mit der Zeit gehen. Ich selbst wäre nicht auf diese Idee gekommen. So interessant ist mein Leben nun auch wieder nicht. Andererseits wimmelt es im Internet von Blogs mit spannenden Themen wie "Kakteenzucht für Anfänger", "Der Wattwurm, dass unentdeckte Wesen" oder "Das geheime Leben der Gänseblümchen". Da kann ich meinen aufregenden Alltag auch noch hochladen.Mein Mitbewohner Paul sieht das gänzlich anders. Für ihn liegt die Unsterblichkeit eines Menschen in seinem digitalen Fußabdruck. Was soll ich sagen. Er hat ein Masterdiplom in Informatik und sein Messias war der Mitbegründer einer fruchtigen Computer und Telekommunikationsmarke. 

„Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens“, deklamierte er als ich müde und geschafft um 14.00 Uhr nach Hause kam. Routiniert öffnete er zwei Flaschen Pils, wovon er mir eine reichte. 
„Mit dem Bestehen der letzten Abschlussprüfung wird aus dir offiziell ein Elektroingenieur. Dein Leben wird sich entscheidend verändern.“ Wir stießen an und tranken. 

Kurze Zeit später ließen wir uns in die wackligen Klappstühle auf dem Balkon plumpsen und schauten hinaus aufs Darmstädter Martinsviertel. Der spätsommerliche Oktober zauberte goldene Reflexionen auf die Dächer und Fensterscheiben. Die wenigen Wolken am Himmel bildeten Figuren, die unsere Fantasie beflügelten.

Natürlich hatte er recht. Keine blöden, unterbezahlten Jobs mehr. Keine große Pleite am Monatsende. Wer weiß, vielleicht sogar ein Job im Ausland. Amerika, Australien und Japan waren schon immer meine Traumziele. Vielleicht finde ich einen Job, der mir diese extravaganten Arbeitsorte ermöglicht. Bei diesem Gedanken erfasst mich eine nie gekannte Energie. Die Zukunft steht mir offen. Alles kann passieren.
Jetzt mache ich aber Schluss. Steffen und Carsten kommen. Wir treffen uns mit dem Rest unserer Clique beim Mexikaner. 


Eat and drink and have fun!